Sonntag, 5. Juni 2016

Zweite Europamatinee der „Europa-Union Vechta“ - diesmal in Bakum

"Europa-Matinee" 


Schon im letzten Jahr (damals in Goldenstedt) habe ich mir das Europa-Matinee der Europa-Union Vechta angeschaut. Damals in Goldenstedt.
Damals gab es sehr kritische Töne bezüglich der heutigen Ausprägung der EU. Gefiel mir relativ gut. Deshalb entschied ich mich auch in diesem Jahr zuzuhören. In diesem Jahr allerdings wurde es eine kleine Herausforderung für mein schwaches Herz-Kreislauf System.
Das der Vorsitzende der Europa-Union (ein alter Bekannter von mir aus schwereren Zeiten) mich nicht grüßt bin ich gewohnt. Eine spezielle Auslegung von „Höflichkeit“ zwingt ihn offensichtlich so zu reagieren – geschenkt.
Veranstaltungsort war die Aula/Mensa der Bakumer Oberschule. Auch in Bakum gibt es also keine Haupt- und Realschulen mehr. Na gut. Der Saal war außergewöhnlich schön. Modern gestaltet und sicherlich nicht billig. Um so überraschter war ich als es in einer Ansprache hieß das eine neue Mensa gebaut werden müsse – dieser sechs Jahre alte Bau sei mitlerweile zu klein.
Wenn man Probleme hat wachsende Steuereinnahmen auszugeben – so kann man es auch schaffen.


Als ersten Redner begrüßte der Bürgermeister alle Teilnehmer (also die übliche Litanei) und sprach ein paar grundsätzliche Worte über Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und in Europa – gut, das gleiche Motiv wird ja in immer neuen Variationen gespielt. Relativ gut gemeistert.

Rede Herr Hollah

Dann trat Herr Hollah ans Rednerpult. Geboren in Bakum – 1981 Abitur in Vechta – dann durch verschiedene Posten in der CDU-Fraktion des Bundestages und der EU gereicht bis er jetzt in der Gruppe „Geschichte und Erinnerung“ für die Bundesregierung arbeitet.
Der dritte Redner (auf den ich später komme) unterschied zwischen Gutmenschen (den Begriff nutzte er nicht) die nur auf das Verbindende schauen und Rechtspopulisten die sich auf das Trennende konzentrieren würden. Nach dieser schönen Definition bin ich Keines von Beidem. Ich schaue auf ALLES, sowohl auf Trennendes als auch auf Verbindendes, um ein realistisches Bild des Ganzen zu bekommen.
Bitte beachten: Ich schreibe den Inhalt der Rede sinngemäß – und ergänze mit meiner persönlichen Meinung. Es finden sich keine wörtlichen Zitate!

Werde ich nun also auch im Fall „Herr Hollah“ versuchen.
Was mir an seiner Rede sehr gut gefiel war das er die Ungeheuerlichen Verbrechen aus drei Abschnitten ansprach:
Die braune Nazi-Diktatur, die es schaffte sogar deutsche Patrioten zu stigmatisieren, kriminalisieren und schließlich zu töten – wenn sie nur in ihr Feindbild „Jude“ passten.
Das Vertreibungsverbrechen, in dessen Verlauf 14 Mio Deutsche (unabhängig davon wie sie zu den Nazis standen) Heimat, Gut und oft auch Leben verloren.
Die rote Diktatur unter der SED, die dann oft Juden die sowohl die Verfolgung unter den Nazis durchgemacht haben als auch die Vertreibung durch die Polen, die das Raubgut aus Judenmord und Vertreibung auch nicht wieder hergeben wollten, überlebt haben, weiter verfolgten sofern diese Person einen freien Unternehmergeist hatte.
Das er diese drei traumatisierenden Erfahrungen ansprach rechne ich ihm hoch an.
Das er den „Startpunkt“ dieser Entwicklung auf 1933 setzte ist allerdings historisch unredlich.

Positiv fand ich auch das er auf das schreckliche europäische Trauma des ersten Weltkrieges hinwies. Verdun. Ja, es ist wichtig das sich Deutsche und Franzosen dort die Hände reichen wo unsere Urgroßväter sich gegenseitig abgeschlachtet haben.
Kurzsichtig ist allerdings zu meinen das der Friede in Europa jetzt seit 71 Jahren hält weil wir in Brüssel Zentralisten haben die meinen für jeden Quatsch eine Norm erarbeiten zu müssen.
Faktisch hat uns 45 Jahre lang die „Angst vor dem anderen Block uns seinen Kernwaffen“ friedlich gehalten. Heute gibt es diese Blöcke nicht mehr, die sehr disziplinierend auf Einzelinteressen gewirkt haben. Und heute, im Zeitalter des höchsten brüsseler Zentralismus, erleben wir eine Renaissance der antideutschen Ressentiments im europäischen Ausland die durchaus hin und wieder an die Zeiten vor 1945 erinnert.

Positiv fand ich das er am Ende seiner Rede erwähnte das er einen Staatenbund vielleicht einem Bundesstaat vorziehen würde – und ihm der Gedanke eines „Europas der Vaterländer“ sympatisch sei. Da bin ich mir mit ihm ja wirklich einig! Super!
Nur: In seinen „abfälligen“ Kommentaren zur Schweiz und zu Norwegen, die (wie er sagte) alle Vorteile der EU vertraglich zugesichert haben wollen – aber nicht bereit wären sich durch eine EU-Mitgliedschaft in ihre inneren Angelegenheit hereinreden zu lassen oder sich an Kosten zu beteiligen – durch diesen Kommentar hat er diese Einsicht entwertet.

Natürlich hat er Recht das es auch im Deutschen Reich „Migrationsbewegung“ gab – und das damals schon Menschen dorthin zogen wo bessere wirtschaftliche Voraussetzungen gegeben wären. Mein Großvater kam auf diesem Wege 1930 aus Tolkemit am frischen Haff nach Lohne. In Tolkemit lag die Wirtschaft am Boden – in Lohne konnte er als 14jähriger eine Anstellung beim Bauern finden.
Nur: Niemand ging diesen Weg weil im Westen das Sozialsystem besser war. Man kam um zu arbeiten – und es wurden nur so viele aufgenommen wie es Arbeitsstellen gab. Allzumal im Kaiserreich. Dort konnte man polizeilich nicht nur des Landes – sondern sogar auch des Ortes verwiesen werden wenn man keine Anstellung und keine Wohnung hatte.
Wer Bücher (es muss nicht – kann aber Zuckmayr sein) über Wilhelm Vogt aus Tilsit, dem „Hauptmann von Köpenick“ liest, lernt das Dilemma gut kennen.

Ausnahmslos gut war seine Bemerkung das es für die Bewertung einer Straftat und für die Strafe irrelevant ist welches Motiv der Täter hat. Das Opfer leidet allein unter der Tat und den Umständen der Tatausführung. Weniger unter dem Motiv. Ein Motiv ist für die Prävention wichtig – ja. Und das zeigt uns: Prävention gegen „rechts“ hat relativ wenig Berechtigung in unserer Zeit.

Rede eines SPD-Wahlhelfers


Dann trat Sebastian Ramnitz (SPD) ans Rednerpult. Er nennt sich „Referent für Demokratie und Tolderanz“ - ein sehr schön gewählter Titel wie ich finde.
Was er erzählte war zunächst banal.
In einem Gymnasium hätte er über die EU diskutiert – die Schüler seien zunächst skeptisch gewesen und er hat dann mit diesen Schülern herausgearbeitet das man an Grenzen jetzt nicht einmal mehr einen Perso zeigen muss und das man in Paris studieren oder in London arbeiten kann ohne das es große Probleme gibt.
Da wären einige durchgeknallte Bürokraten in Brüssel ein vergleichbar kleines Übel.
Nun gut – der junge Mann ist 15 Jahre jünger als ich. Da weiß er natürlich nicht das man auch schon vor Schengen ins Ausland gehen konnte – zum Arbeiten und erst Recht zum Studium.
Auch heute kommen Viele, die in Deutschland studieren und arbeiten, NICHT aus der EU. Aber gut, geschenkt.
Dann kam eine wirklich anrührende Geschichte.
Er sei an eine Schule gerufen worden an der es einen Fall von Rassismus gäbe. Ähnlich wie die Feuerwehr wenn es einen Fall von Feuer gibt oder Supergrobi wenn das Krümelmonster einen Keks verlegte hat er sich also auf den Weg gemacht.
Dann sei er verwundert gewesen das der Täter ein junger Serbe war. Jemand der Deutsche verprügelt. Da wusste er dann also etwa folgendes: Da muss was Anderes hinterstecken – Rassismus kann es nicht sein. Rassismus ist Deutsch. Und richtig: Es waren ja außer ihm nur Deutsche in der Klasse – wen soll er also sonst verdreschen?
Also war sein ganzes Talent gefragt – und schließlich kam heraus das der Junge ein traumatisches Kindheitserlebnis hatte. Sein Bruder wurde im ehemaligen Jugoslawien direkt neben ihm erschossen.
Jetzt hat die Klasse also Signale vereinbart die er aussendet wenn man was auf die Fresse bekommt sobald man ihn fragt was 4+4 ist – und jetzt ist Alles gut.
Na gut – ich kenne ähnliche Fälle aus meiner Pfadfinderei und aus Berichten von Kollegen. Und ich muss sagen: Manchmal funktioniert so etwas auch. Und wenn es funktioniert ist das schön.
Ich wäre auch der Letzte der das Recht oder die Veranlassung hätte zu behaupten das ein traumatisierter Jugendlicher keine Chance hätte sich zu verändern wenn er es richtig angeht – und eine Chance bekommt.
Aber mit Europa hatte dieser Bericht nichts zu tun.

Sein Schlusswort war dann noch die Mahnung das er versucht immer auf das Verbindende zu schauen und Rechtspopulisten immer nur das Trennende sehen würden. Gut – auf diesem Wege weiß ich jetzt: ICH bin also kein Rechtspopulist. Muss ich mich nach einem neuen Etikett umschauen. Ich schlage vor: Rechts-Realist.

Ende und Essen

Am Ende kamen dann noch ein paar irrelevante Worte – und ein Satz aus Beethovens 9. Symphonie. Schönes Stück. Was mich erstaunte: Dazu erhoben sich Alle. Mache ich ausschließlich für die Nationalhymne – und auch für fremde Nationalhymnen. Vielleicht noch für die Oldenburg-Hymne. Aber sicher nicht für die „Ode an die Freude“.

Gute Suppe, „Canapes“ und Pudding gab es schließlich als Finale – einige EU-Merchandising Artikel habe ich mir auch noch gegriffen – und jetzt sitze ich am PC und verarbeite die Eindrücke.

Im nächsten Jahr bin ich -so Gott will und wir leben- wieder dabei.

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