Dienstag, 22. November 2022

Neoliberal?

 Warum ich immer etwas an die Decke gehe, wenn jemand über den "Neoliberalismus" schimpft....

Ja, oberflächlich ist es meist nur ein falsch gebrauchter Begriff. Die Meisten meinen heute mit "Neoliberalismus" irgendetwas undefiniertes, irgendwas mit "Großbanken haben zu viel Macht!".
Falsche Definition.
Der Neoliberalismus entstand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Einsicht, dass der klassische Liberalismus Schwächen hat.
Hauptsächlich zwei Schwächen:
a) das ein völlig freier Markt zur Bildung von Monopolen und Kartellen neigt, die die Prinzipien des freien Marktes durch Absprachen oder absolute Macht pervertieren. Dann ist z.B. keine sinnvolle Preisbildung mehr möglich, weil eine oder wenige Chefetagen sich auf Preise einigen.
b) das schwache Verbraucher letztlich völlig aus dem Markt fallen. Seien es Alte oder Kranke oder Kinder. Es war nicht selten, in den Anfangsjahren der industriellen Revolution, dass ganze Familien für ihren Lebensunterhalt 16 Stunden am Tag arbeiten mussten - und wenn jemand krank wurde oder sich gar an den ungesicherten Maschinen schwer verletzte - dann war die Not groß. Unverschuldet groß.
Unter Anderem dieser beiden Probleme nahmen sich die Ordo- bzw. Neoliberalen an. Versuchten Lösungen zu finden.
Und eine Einschränkung von Kartellen sowie ein sozialer Ausgleich in einem freien Markt IST sinnvoll und muss auch von vernünftigen Wirtschaftspolitikern gefordert werden.
Aber ansonsten kann nur ein freier Markt eine Gesellschaft adäquat versorgen. Es muss möglich sein, dass jeder Bürger einen Mangel erkennt - und beginnt, ihn durch Produktion entsprechender Waren abzustellen. Es muss auch möglich sein, dass ein arbeitssuchender Bürger einen Markt erkennt - und seine Dienste in diesem Markt anbietet. Möglichst unbürokratisch und frei.
Wenn jemand, bevor er für einen kranken Nachbarn den Rasen mähen darf, erst 25 Formulare ausfüllen muss und 30 Atteste und Bescheinigungen vorzulegen hat bevor er dafür legal 10 Euro annehmen darf - dann ist der Nachbar wahrscheinlich verstorben, bevor der Rasen gemäht wurde.
Halten wir also fest: Wir brauchen einen freien Markt. Und wir brauchen die Verhinderung von Kartellen und Monopolen (um in unserem Beispiel zu bleiben: Wir müssen verhindern, dass nur bestimmte Unternehmen offiziell Rasen mähen dürfen).
Und ja: Wir brauchen auch durchaus Sozialabgaben, um Bürger zu unterstützen die nicht in der Lage sind, ihr eigenes Geld zu verdienen.
Kurz: Wir brauchen den Neoliberalismus.
Warum hat dieser Begriff aber einen so schlechten Ruf?
Es ist ein geschickter Schachzug der Linken, der Sozialisten, die Probleme, die durch sozialistische Ideen (staatliche Rettung von Unternehmen und anderen Staaten, "Problemlösung" durch Gelddruckerei, Politik der Auflagen und Vorschriften, etc.) entstehen auf einen sogenannten "Neoliberalismus" zu schieben. Und dann behaupten zu können "die Freiheit ist gescheitert - jetzt brauchen wir Sozialismus! Und diesmal wird er funktionieren!". Und das ist gefährlich.
DESHALB gehe ich innerlich etwas "hoch" wenn jemand über den Neoliberalismus schimpft.