Montag, 17. März 2014


Alle schreiben über Russland...

...ich dann wohl auch


In den letzten 100 Jahren ist meine halbe Familie mehrfach vor den Russen geflohen.
Ein Ururgroßvater von mir verließ 1904 das erste Mal das Zarenreich um dem Militärdienst im Krieg gegen Japan zu entgehen. 1913 verließ er Russland (bzw. die Ukraine und Polen, zwischen denen meine Vorfahren sich bewegten) mit dem größten Teil seiner Familie endgültig in Richtung USA.
Sein Schwiegersohn, mein Urgroßvater, konnte dann im ersten Weltkrieg rechtzeitig nach Ostpreußen gelangen bevor die anderen Wolhyniendeutschen in Richtung Sibirien deportiert wurden. Er konnte ja nicht ahnen das von dort die Familie seines Sohnes schon 30 Jahre später "weiterflüchten" musste.
Die Tatsache das mein anderer Großvater in der Nähe von Kiew irgendwo verscharrt liegt weil man russische T-34 Panzer nicht mit einem MG aufhalten kann - auch diese Tatsache macht es mir nicht leichter mich jetzt hier (scheinbar) freundlich über den russischen Staat zu äußern. Auch wenn ich mitlerweile viele gute Bekannte und auch Freunde habe die dort ihre persönlichen Wurzeln haben und dieses Land mögen.

Deshalb betrachte ich einfach die derzeitige Situation. 

Ukraine

Vor einigen Wochen wurde der letzte rechtmäßig gewählte Präsident der Ukraine von Demonstranten aus dem Amt gejagd. Theoretisch ist die Ukraine damit (fast) handlungsunfähig. EIGENTLICH müsste in dem Moment, in dem der letzte Präsident nicht mehr im Amt ist, binnen 90 Tagen eine Neuwahl durch das ukrainische Volk erfolgen. EIGENTLICH müsste deshalb die Ansage aus Kiew lauten "hier ist alles offen - wir wissen nicht in welche Richtung es mit diesem Land weitergeht, für alle weitreichenden Verhandlungen bitten wir Nachbarn und Freunde der Ukraine solang Geduld zu haben bis die Neuwahlen vollzogen sind!". Soviel aus Kiew.
Auf die Dauer sollte man in der Ukraine darauf achten das man sich Partner auf Augenhöhe sucht. Heißt: Einen Wirtschaftsraum der der Ukraine schon traditionell offen steht - mit einem wenigstens nahen Lebensstandard. Mit Russland gemeinsam kann die Ukraine wachsen - mit der EU wird sie vom starken Mitteleuropa platt gemacht. Wie schon jetzt der Süden.


USA

Von Seiten der USA könnte man erwarten das sie auf dem Standpunkt verharren auf dem sie Anfang der 90er Jahre standen. Heißt: Die Ukraine ist als Partner innerhalb der NATO tabu. Natürlich ist eine freundschaftliche Beziehung nach Kiew (übrigens auch nach Moskau) wünschenswert und zu erstreben. Ebenso eine Handelspartnerschaft. Ganz klar.

EU

Für die EU sehe ich es ähnlich wie für die USA. Wir haben der Ukraine nichts zu bieten. Der Lebensstandard dort ist extrem niedrig. Ein Beitritt der Ukraine zur EU würde die Wirtschaft dort innerhalb kürzester Zeit platt machen. Es sähe aus wie in Griechenland, das wir per Euro innerhalb kurzer Zeit zum Entwicklungsland degradiert haben.
Wir verfügen bereits über ausreichend arme Regionen - und beweisen immer wieder unsere Inkompetenz darin DEREN Lebensstandard zu haben. Einen Mehrbedarf gibt es in diesem Bereich nicht.

Deutschland 

Sollte die Füße still halten. Gratulieren wir den Russen zum Abstimmungsergebnis auf der Krim und halten uns raus. "Sanktionen" können wir verhängen wo Menschenrechte in Gefahr sind, nicht dort wo ein Volk in seine Nation zurück möchte.

Russland

Kann und wird aus mehreren Gründen nicht auf die Krim - und wohl auch nicht auf die (heute) östliche Ukraine verzichten.
1. Liegt auf der Krim die russische Schwarzmeerflotte. Der Hafen wurde von der Ukraine rechtsgültig angemietet - es gibt auch ein Recht dort russische Soldaten zu stationieren. All dies ist strategisch für Russland enorm wichtig.
2. Gibt es dort eine klare russische Bevölkerungsmehrheit. UND eine geschichtliche Bindung der Krim an Russland die allemal stärker ist als die an die Ukraine. Die Volksabstimmung (93 % für Russland) unterstreicht den Volkswillen zudem.
3. Nur eine eng mit Russland verbundene Ukraine könnte gefahrlos (für Putin und Russland gefahrlos) über diese Gebiete verfügen. Wenn eine "EU" dort Militärflughäfen und Raketenabschussrampen baut ist Russland in akuter Gefahr.


Was denke ich also? 

Die Meisten werden es herausgelesen haben:
Es gibt nur eine saubere Lösung dieses Konfliktes: Der Westen hält sich heraus.
Wir können gemeinsam mit Russland Wahlbeobachter für die Präsidentschaftswahlen in Kiew stellen. Diese Wahl muss ja jetzt langsam anlaufen - auch Ukrainer sollten die Möglichkeit haben die Kandidaten, die sie wählen sollen, kennen zu lernen.
Wir könnten auch mit Putin vereinbaren eine Wiederholung der Krim-Abstimmung nach der Präsidentschaftswahl. Es könnte in seinem Sinne sein wenn die Russen der Krim die Wahl des Präsidenten in Kiew mit-entscheiden.
Das Ergebnis dieser Abstimmung MÜSSEN wir allerdings akzeptieren wenn wir uns als Demokraten nicht völlig lächerlich machen wollen.
Vor allen Dingen sollten wir mit dem albernen Säbelrasseln aufhören. Wer mit Kriegsschiffen droht muss auch bereit sein sie einzusetzen wenn er sich nicht unglaubwürdig und lächerlich machen will. Und ich kenne NIEMANDEN der motiviert wäre für die Krim zu verbluten.

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